Die Blauen Reiter
Der expressionistische Maler Wassily Kandinsky schrieb 1910 in seinem berühmten Buch "Über das Geistige in der Kunst":
"Die Neigung des Blaus zur Vertiefung ist so groß, dass es gerade in tieferen Tönen intensiver wird und charakteristischer innerlich wirkt. Je tiefer das Blau wird, desto mehr ruft es den Menschen in das Unendliche, weckt in ihm die Sehnsucht nach Reinem und schließlich Übersinnlichem." [Lit Kandinsky, S. 92]
Im Jahre 1912 gaben die Maler Franz Marc und Wassily Kandinsky einen Almanach heraus, den sie "Blauer Reiter" nannten. Dem Buch gingen zwei Kunstausstellungen voran, der Name bezeichnete die berühmte Münchener Künstlervereinigung. Beide Maler liebten die Farbe Blau und Pferde. Berühmt geworden sind die blauen Pferde von Franz Marc. Bei der blauen Blume der Romantik erkannte der Mensch in der Natur sein eigenes Antlitz. Marc ging mit seinen blauen Pferden jedoch wesentlich weiter:
"Wir werden nicht mehr den Wald oder das Pferd malen, wie sie uns gefallen oder scheinen, sondern wie sie wirklich sind, wie sich der Wald oder das Pferd selbst fühlen, ihr Wesen, das hinter dem Schein lebt, den wir nur sehen." [Lit Marc 1912/13 in Marc/Lankheit 2000]
Marc gab mit seinen blauen Pferden und den anderen Tierdarstellungen den Geschöpfen der Natur die Seele zurück, wie sie sie in den Höhlenmalereien noch hatten. Im träumenden Pferd von 1913 knüpfte Marc an die Nähe der Farbe Blau zu den Träumen an. Bei Marc waren es die Pferde, die Sehnsüchte hatten. Er selbst hatte eine innige Beziehung zu den Tieren, die "alles Gute" in ihm "erklingen" ließen.
"Eine Art von süßem Schlummer befiel ihn, in welchem er unbeschreibliche Begebenheiten träumte, und woraus ihn eine andere Erleuchtung weckte. Er fand sich auf einem weiten Rasen am Rande einer Quelle, die in die Luft hinaus quoll und sich darin zu verzehren schien. Dunkelblaue Felsen mit bunten Adern erhoben sich in einiger Entfernung; das Tageslicht, das ihn umgab, war heller und milder als gewöhnlich, der Himmel war schwarzblau und völlig rein. Was ihn aber mit voller Macht anzog, war eine hohe lichtblaue Blume, die zunächst an der Quelle stand und ihn mit ihren breiten, glänzenden Blättern berührte. Rund um sie her standen unzählige Blumen von allen Farben, und der köstlichste Geruch erfüllte die Luft. Er sah nichts als die blaue Blume und betrachtete sie lange mit unnennbarer Zärtlichkeit. Endlich wollte er sich ihr nähern, als sie auf einmal sich zu bewegen und sich zu verändern anfing; die Blätter wurden glänzender und schmiegten sich an den wachsenden Stengel; die Blume neigte sich nach ihm zu, und die Blütenblätter zeigten einen blauen, ausgebreiteten Kragen, in welchem ein zartes Gesicht schwebte." [Lit Novalis, Anfang 1. Kapitel, S. 146]
Die blaue Blume ist somit Symbol des Aufbruchs zur Erfüllung von Sehnsüchten und aber auch Symbol des Findens des eigenen, persönlichen Glücks und Lebenssinnes. Der gleichzeitige Blick nach vorne und zurück ermöglicht dem Betrachter geistige Reflexion über das Vergangene im Hinblick auf die Zukunft. In Augsburg begegnet Heinrich Mathilde und entdeckt beim Anblick ihres Gesichts einen Zusammenhang mit seinem Traum:
"Ist mir nicht zumute wie in jenem Traume, beim Anblick der blauen Blume? Welcher sonderbare Zusammenhang ist zwischen Mathilden und dieser Blume? Jenes Gesicht, das aus dem Kelche sich mir entgegenneigte, es war Mathildens himmlisches Gesicht..." [Lit Novalis, gegen Ende des 6. Kapitels, S. 232]
In Mathildes Gesicht entdeckt Heinrich das Seelenbild eines Menschen, das er schon immer zu lieben glaubte. Die Verbindung zwischen der Symbolik der blauen Blume und Mathildes Gesicht kann auch als die Sehnsucht nach Einigkeit und Verbundenheit mit der Natur verstanden werden.
Wirkung:
Blau versetzt in einen Zustand des Träumens, die Farbe stimmt sehnsüchtig, sie wirkt beruhigend und führt zu einer ernsthaften Sicht der Dinge nach innen.
Diese Funktion erfüllen auch die blaumonochromen Bilder von Yves Klein.
Die Farbe Blau gilt als Farbe des Gemüts und stimmt positiv.
Autor:Thomas Seilnacht
CH-3007 Bern
rem - mannheim
Ich liebe Dich!
Samina Ali
Landesmuseum Oldenburg
Museum Wiesbaden
Safiere